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Donnerstag, 23. August 2018

Du wolltest es doch Beitrag.

Heute ging meine Rezension zu "Du wolltest es doch" von Louise O'Neill online.
Auch wenn ich mich so auf dieses Buch gefreut hatte, konnte es mich am Ende leider nicht überzeugen, geschweige denn schlussendlich begeistern.
Trotzdem finde ich dieses Thema so wichtig, dass ich es noch einmal aufgreifen muss.

Vorsicht: Der Beitrag wird das Ende des Buches spoilern. Und es wird lang.

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Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Den Satz kennen wir alle, wahrscheinlich der einzige Satz aus dem Grundgesetz, den jeder schon gehört und sich unter Garantie gemerkt hat.
Hört das Grundgesetz bei leicht bekleideten Frauen auf? Oder bei einem "Playboy" der sich damit rühmt, wie viele Frauen er haben kann? Sind sie dann plötzlich nicht mehr mit eingeschlossen? Oder ist die unantastbare Würde gar nicht gleichzustellen mit unantastbarem Körper?

Man könnte jetzt sagen: "Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ja könnte man. Ist aber eben falsch.
Wer den Körper eines Menschen berührt, berührt auch seine Seele, seinen Stolz, seine Würde. Daran führt kein Weg vorbei.
Deswegen sehnt man sich in schlechten Zeiten nach jemanden, der einen in den Arm nimmt und einem zeigt, dass alles gut wird und er da nicht allein durch muss. Es ist nicht der Körper der das will. Es ist die Seele.

Eine liebevolle Berührung tut der Seele gut. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine ungewollte und unangenehme Berührung wehtut. Ganz ohne Blut und blaue Flecke. Ein Schmerz der tiefer geht und sich anfühlen kann, als würde einem das Herz zerreißen.
Und auch dann gilt nicht das Prinzip "Schnell vorbei tut nicht lange weh." wie bei einem Pflaster. Egal wie lang dieser unangenehme und erniedrigende Moment andauert... der Schmerz hält viel länger.
Auch Jahre später, wenn man gerade versucht hat sein Herz wieder zusammenzuflicken und denkt, dass es doch eigentlich ganz gut gelungen ist... Dann kommt ein Wort oder ein Geruch, ein verdammter Gedanke und die Naht löst sich. Die Einstiche der Nadel waren unsauber und haben am Ende nur noch mehr Risse und Verletzungen hinterlassen. Und trotzdem versucht man es weiter. Hofft weiter. Will weiter ein normales Leben führen. Ein ewiger schmerzhafter Kreislauf.

Ach was nimmt die kleine Nana sich denn jetzt das Recht heraus, darüber zu sprechen? Wie kann sie sich wagen, zu behaupten, sie wisse wie sich die Opfer sexueller Übergriffe fühlen.
Stimmt.. wie kann ich es wagen... Genau.. Ich bin eines dieser Opfer und weiß leider nur zu genau, wovon ich hier schreibe.

Wer meiner Seite schon länger folgt, kann jetzt denken "Meine Güte. Sie stellt sich doch nur in den Mittelpunkt. Jahrelanges Mobbing. Essstörungen. Und auch noch sexuelle Übergriffe. Als ob!"
Dann denk das und verlass meine Seite. Es ist nicht leicht, meine ganzen Schicksalsschläge offen zu legen. Und ich muss es nicht tun. Und doch brennt es mir auf der Seele. Niemand muss es lesen. Aber jeder sollte über die Gefühle anderer nachdenken.

Es kam in meinem Leben schon zu mehreren sexuellen Übergriffen. Ob es damals eine Jugendliebe war, die ein "Nein" nicht akzeptieren wollte, bis ich nicht mehr dagegen kämpfen wollte, weil ich dachte, es wäre meine Pflicht. Immerhin sind wir ein Paar gewesen.
Oder das ständige Begrabschen als Kellnerin. In einer Unterführung verfolgt und belästigt zu werden. Vom Chef der einem zu nahe kommt. Oder einer Person, der man blind vertraut hat und die einen dann enttäuscht hat.
(Anmerkung meines heutigen Ich's: Du warst so ein verdammt dummes und naives Mädchen! Sexuelle Handlungen sollten nie eine Pflicht oder ein Ertragen sein. Sondern etwas intimes das man genießen kann!)

Entgegen der Erwartung helfen all die mitleidigen Blicke nicht, die einem zugeworfen werden, wenn es jemand mitbekommen hat. Und doch geben sie einem das Gefühl, gesehen zu werden. Das Gefühl nicht allein zu sein. Und das hilft.

Auch heute trage ich gerne enge oder kurze Kleidung. Ich habe für mich beschlossen, mich nicht zerstören zu lassen. Ein ewiger Kampf, in dem ich oft auf die Knie gehe aber NIEMALS verlieren werde!
Ich möchte einfach weiter ich sein können. Aber scheinbar provoziert dieses "Ich" immer wieder, denn es kommt immer wieder zu Momenten, in denen ich schreien und um mich schlagen will, weil es zu einer Berührung kommt, die ich nicht will. Aber ich kann es nicht. Ich kann leise meine Meinung piepsen. Oder kurz aufschreien und aufhören mich zu bewegen. Ich kann auch so tun, als wäre nie etwas gewesen. Aber alles das ist falsch.

Aber muss ich mich verhüllen, um auch als Mensch gesehen zu werden? Bin ich Freiwild, nur weil ich einen kurzen Rock trage? Oder mich gerne schminke? Ein ganz klares NEIN!
Und wenn ich nackt auf einem Festival rumlaufen würde... niemand dürfte mich berühren, wenn ich es ihm nicht erlaubt habe.
Schließlich laufe ich auch nicht durch die Gegend und berühre einen Mann der seinen Oberkörper zeigt, ohne dass er es will.
Sätze wie "Du wolltest es doch!" oder "Das warst du selbst schuld!" hat nicht nur Emma oft gehört. Ich glaube diese Sätze, kennt jedes Opfer. Aber nehmt sie nicht ernst. Ihr seid nicht schuld an all den kranken Gedanken anderer Menschen.
Menschen die diesen Satz hören, sehen dann ungefähr so aus, wie auf dem Bild da unten. Und ja natürlich haben sie genau das gewollt.

Wenn jemand einen blauen Fleck hat, ist das genau so wenig eine Einladung ihn zu verprügeln, wie nackte Haut eine Einladung zum Berühren oder Schlimmerem ist.

In allen Fällen die mir passiert sind, hatte ich nicht den Mut dagegen vorzugehen. Ich hab mir selber eingeredet, dass es doch nicht schlimm genug war, dafür ein Menschenleben zu ruinieren. Habe mir eingeredet, dass das ganz sicher immer wieder unbeabsichtigt passiert. Und selbst wenn nicht, ich hätte doch keine Beweise dagegen gehabt. Wer hätte mir schon geglaubt.
Aber wisst ihr was. All das war es wert ein Leben zu zerstören. Nämlich meins!

Darüber denken weder die Täter, die Opfer noch die Zuhörer wirklich nach. Auch wenn ein Gerichtsverfahren ein fremdes Leben zerstören kann, die Tat hat auch eins zerstört.
Es ist wichtig dass man sich wehrt, sich nichts gefallen lässt und versucht dagegen vorzugehen. Auch mit der Polizei.

Und genau da lag der Knackpunkt des Buches "Du wolltest es doch". Das Ende das allen Opfern, Tätern, Zuhörern und Unbeteiligten erzählt: "Hey. Es ist egal. So wenige Vergewaltiger werden wirklich überführt und bekommen eine Strafe dafür, was soll da schon passieren. Wieso soll man dann gegen den Täter vorgehen?"

Das ist die falsche Art dieses Thema zu behandeln. Denn es ist wichtig. Um damit abschließen zu können, auch wenn das nie ganz möglich ist.

Diesen Schritt habe ich bisher selbst nicht getan. Ich habe es über mich ergehen lassen und bin in Schuld- und Schamgefühlen ertrunken. Genau wie Emma.
Ich bin nicht so stark, wie ich es gerne wäre. Und wie ich es gerne jedem vorspiele. Genau wie Emma.
Ich habe noch heute an den Folgen zu knabbern. Genau wie Emma.
Meine Täter leben ihr Leben unbeirrt weiter. Genau wie Emmas.

Ein Leben ist zerstört und kann nicht einfach wieder zusammengeklebt werden. Und die Menschen, die daran Schuld sind, tun genau das vielleicht noch anderen Menschen an. Am Ende gibt es so viele kaputte Menschen, die ihre Lebenslust, ihre Freude und ihre Hoffnung bei einer Person verloren haben, die sie nicht verdient hat und sich nun darin suhlt. Als hätte sie diese Lebenslust, Freude und Hoffnung verdient, für das was sie getan hat. Und niemand wird ihr je das Gegenteil aufzeigen, wenn alle schweigend ertragen und wegschauen.

Nana Ende
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Wenn ihr Hilfe braucht, jemanden kennt der Hilfe braucht oder euch näher damit beschäftigen wollt, lasse ich euch eine Nummer hier, die ihr kostenfrei anrufen könnt. Niemand muss da alleine durch.

Die Nummer des Hilfetelefons:

0800-22 55 530 (kostenfrei und anonym)
Das „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten. Es ist eine Anlaufstelle für Menschen, die Entlastung, Beratung und Unterstützung suchen, die sich um ein Kind sorgen, die einen Verdacht oder ein „komisches Gefühl“ haben, die unsicher sind und Fragen zum Thema stellen möchten.

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